Die Leute in Taiwan müssen nicht so viele Unannehmlichkeiten auf sich nehmen, um ihr Verlangen nach einer bestimmten Frucht zu stillen, denn in neuester Zeit sind Methoden entwickelt worden, um die Erntezeiten zu kontrollieren, und viele Früchte sind außerdem das ganze Jahr über erhältlich.
Taiwan ist eine kleine Insel, die kaum natürliche Ressourcen hat, aber sie liegt zwischen tropischen und subtropischen Breitengraden, und ihre landschaftliche Vielfalt reicht von flachen Küstengebieten bis hin zu steil aufragenden Gipfeln. Weil Taiwan mit einer solchen geographischen Lage gesegnet ist, bietet die Insel optimale Wachstumsbedingungen für fast alle früchtetragenden Bäume, Büsche oder Reben. Insgesamt etwa fünfzig Arten von Früchten wachsen auf der Insel. In jeder Jahreszeit sind mindestens zehn verschiedene Früchtearten auf dem Markt erhältlich. Früchte wie Äpfel, Pfirsiche und Birnen wachsen auf sehr hohen Erhebungen, während auf hügeligen und flachen Gebieten Zitrusfrüchte, Bananen, Ananas, Lychee, Longan, Mango, Papaya, Persimonen, Wentan, Pomelo, Hengshan-Birnen, Wassermelonen, Erdbeeren und viele andere Früchte angebaut werden. Unter diesen werfen Zitronen, Bananen und Ananas mit einer Gesamtproduktion von über einer Million Tonnen im Jahr 1987 am meisten Gewinn ab.
Der Anteil von Grundnahrungsmitteln wie Reis fiel von 60% im Jahr 1945 auf 39% im Jahr 1987, während der Anbau von Plantagenprodukten an der gesamten landwirtschaftlichen Produktion gestiegen war. 1986 war der Pro-Kopf-Verbrauch an Früchten in der Republik China auf 80 kg pro Jahr und damit gegenüber dem Jahr 1961 um das Vierfache gestiegen, wobei Zitrusfrüchte ein Fünftel des Gesamtverbrauchs ausmachten. Es ist eine Gewohnheit, einen Früchteteller zu servieren, um den schwereren Geschmack der chinesischen Vorspeisen auszugleichen.
Einige gepflegte Plantagen auf der Insel wurden in der letzten Zeit erfolgreich zu Touristenattraktionen ausgebaut. In ihnen werden normalerweise Erdbeeren, Zitrusfrüchte, Trauben, Sternfrüchte und Lychees angebaut. Für eine Gebühr können die Touristen soviele Früchte pflücken, wie sie auf ihrem Ausflug essen können, aber sie müssen für jede Frucht, die sie darüber hinaus pflücken, extra bezahlen. Dieser neue Weg, von den Segnungen der Natur Gebrauch zu machen, bietet den Städtern eine neue Art der Freizeitgestaltung und ein Zubrot für die Bauern.
Während der späten Ming-Dynastie (1368-1644) brachten Einwanderer aus den Provinzen Fukien und Kwangtung Lychees, Longans und Zitrusfrüchte nach Taiwan. Banane, Ananans, Papaya und Guave wurden im 17. Jahrhundert eingeführt, als Koxinga auf der Insel herrschte (Koxinga, oder Cheng Ch'eng-kung, 1624-1662, war der Führer der von Taiwan ausgehenden Widerstandsbewegung gegen die Manchu-Herrschaft nach dem Sturz der Ming-Dynastie. Er vertrieb außerdem die Holländer von der Insel.) Im 18. Jahrhundert wuchs der Strom von Einwanderern an, und die neuen Siedler führten Birnen in Taiwan ein.
Während der japanischen Okkupation (1895-1945) wurden einige Agrarforschungszentren eingerichtet, die tropische und suptropische Früchte einführen und züchten sollten. Damit wurde für den Anbau von Früchten auf Taiwan eine solide Grundlage geschaffen.
1909 nahm der Anbau von Früchten insgesamt einen Raum von 50,5 Quadratkilometern ein (meistens Longans und Ananas). 1969 war die Anbaufläche auf 910,5 Quadratkilometer angewachsen, auf denen hauptsächlich Bananen, Ananas und Zitrusfrüchte angebaut wurden. Heute ist die Fläche von 1497 qkm im Jahr 1984 auf 2225 qkm angewachsen, wie Daten des Agrarrates des Exekutiv-Yüans (Council of Agriculture, COA) zeigen.
Gäbe es keine Errungenschaften wie Mittel gegen Krankheiten und schnell- oder langsamreifende Arten, um die Erntezeit zu optimieren, wären nur saure Trauben, kleine Pflaumen und Pfirsiche und bittere Guaven mit vielen Kernen auf dem Markt erhältlich. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden bei der Zucht von Varietäten und den Anbautechniken dadurch, daß ununterbrochen neue Bewirtschaftungstechniken aus dem Ausland nach Taiwan kamen, große Fortschritte gemacht.
"Mehr als 50% der Mangos, die gegenwärtig in Taiwan angebaut werden, sind Irwin-Mangos, 1954 von der Gemeinsamen Kommission für den Wiederaufbau der Landwirtschaft (Joint Commission in Rural Reconstruction, JCRR) aus den USA eingeführt", sagt Wu Min-tze(吳明哲), Chef der Abteilung für Plantagenanbau des COA (der COA ist die Nachfolgeorganisation des JCRR). "Die sogenannte Kyoho-Traube wurde in den sechziger Jahren aus Japan eingeführt, und einige Erzeugnisse aus Taiwan übertreffen heute die japanischen Trauben in der Qualität," fügt er hinzu.
Obstbäume und Plantagen bedürfen ausdauernder und sorgfältiger Pflege.
Die Erntezeit wurde ebenfalls angepaßt, so daß Liebhaber von Früchten das ganze Jahr über Trauben kaufen können, wobei es sein kann, daß in der regnerischen Zeit zwischen März und Mai das Angebot ausfällt. Mehrfache Ernten in einem Jahr sind bei Wachsäpfeln, Sternfrüchten und Guaven ebenfalls möglich geworden. Willkommene Züchtungserfolge sind die "Schwarze Perle", eine Varietät des Wachsapfels, die sehr süß ist, und die hochwertige Ananasvarietät "Tainung Nr.4", die von dem landwirtschaftlichen Forschungslabor in Chiayi gezüchtet wurde. Die "Tainung Nr.4" ist kleiner als die durchschnittliche Ananas, und sie ist faserlos und besonders wohlriechend, wobei sie außerdem sehr leicht mit der Hand zu schälen ist. Im Jahr 1985 war sie diejenige Fruchtart, die den Bauern am meisten Gewinn einbrachte. Gegenwärtig werden 7000 Tonnen dieser Frucht exportiert. Ein anderes Beispiel für die Verbesserung von Varietäten ist das Pfropfen von Reisern der Birne auf den Strunk von Hengshan-Birnbäumen, die in niedrigerer Höhe wachsen.
Ein paar Jahrzehnte zuvor kostete ein einziger importierter Apfel die Hälfte dessen, was ein Arbeiter an einem Tag verdiente. Mit der Hilfe der Regierung begannen Veteranen Ende der 50er Jahre damit, in der gebirgigen Gegend des Lishan in Mitteitaiwan, wo die Luft kühl und erfrischend ist, mit dem Anbau von Pfirsichen, Birnen und Äpfeln zu experimentieren. Die Sache stellte sich als gewinnbringend und erfolgreich heraus, und seit dieser Zeit können die Verbraucher Früchte aus gemäßigten Breiten zu vernünftigen Preisen genießen. Aber wegen der übermäßigen Rodung und des exzessiven Anbaus litten die Böden der hochgelegen Gebiete stark unter Abtragung und Erosion. "Seit den 70er Jahren haben die Regierung und Forschungsinstitute an der Züchtung von neuen Varietäten gearbeitet, denen hohe Temperaturen nichts ausmachen und die auf Erhebungen unter 500 Metern angebaut werden können," sagte Wu. "Man kann bald mit solchen Sorten von Birnen und Pfirsichen rechnen."
Akademische Einrichtungen und Forschungsinstitute spielen eine wichtige Rolle bei der Fortpflanzung und Einführung neuer Varietäten. Unter den Institutionen, die daran arbeiten, befinden sich verschiedene Universitäten und Colleges, das Taiwanesische Agrarforschungszentrum und andere Einrichtungen, die zur Abteilung für Land- und Forstwirtschaft der Provinz Taiwan gehören und sich mit der Fortentwicklung der Landwirtschaft beschäftigen. Ganz allgemein wurden bei Pfropf- und Gentechniken, bei der Steuerung der Fruchtentwicklung und bei der Krankheitsbekämpfung gute Resultate erzielt. Aber weder die Regierung noch die Genossenschaften besitzen geeignete Fachkräfte für die Verbreitung neuer landwirtschaftlicher Errungenschaften. Außerdem "gibt es viele Obstbauern über fünfzig, die dazu neigen, jeder Art von falschen Informationen Glauben zu schenken und sich gleichzeitig neuen Ideen, die wissenschaftliche Gültigkeit besitzten, widersetzen," sagt Wu. "Sie glauben, ohne groß nachzudenken, den Worten eines Pestizid- und Düngerverkäufers und verwenden übermäßige Mengen dieser Chemikalien. Das Personal auf diesem Gebiet zu verstärken und besser auszubilden ist ein unbedingtes Muß."
Durch Wettbewerbe versucht die COA die Qualität von Früchten und ihre Konkurrenzfähigkeit zu verbessern.
Der Plantagenanbau ist keine leichte Arbeit für die Bauern, weil die Bäume sehr sorgfältig gepflegt werden müssen, wenn sie während ihrer ganzen Lebenszeit von bis zu etwa vierzig Jahren Früchte tragen sollen. Außerdem bringen Obstbäume während der ersten fünf bis sieben Jahre, die sie zum Heranwachsen brauchen, nichts ein. Dazu kommt noch, daß ein erfolgreicher Anbau nicht unbedingt auch eine erfolgreiche Vermarktung bedeutet. "Uns Obstbauern stehen Land, Technologie und Arbeitskräfte zur Verfügung, aber der Markt gehört uns nicht," klagte Yu Yu-hsien (余玉賢), Vorsitzender der COA, einmal, als er noch Leiter der Abteilung für Land- und Forstwirtschaft der Provinz Taiwan war. Kern seiner Kritik war, daß sowohl die Bauern als auch die Verbraucher wegen des unvernünftigen Vermarktungs- und Distributionssystems für Früchte in Taiwan Opfer von Ausbeutung sind.
Die Distanz zwischen Erzeugern und Verbrauchern wird mit der ständigen Verstädterung immer größer. Die Stadtbevölkerung wird immer abhängiger von einer Vielzahl von Dienstleistungen und Umschlagplätzen. Bevor die Früchte vom Bauern zum Verbraucher gelangen, müssen sie gesammelt, sortiert, eingestuft, verpackt, verarbeitet, gelagert, transportiert und auf den Markt gebracht werden. Je fortgeschrittener die Arbeitsteilung ist, desto größer sind die Kosten und die Stationen, vom Anbau über die Vermarktung zum Verbraucher. Es ist nichts Neues, daß Bananen in Taipei manchmal das Sechsfache des Großhandelspreises in den Anbaugebieten kosten.
Der einzelne Obstbauer kann es sich nicht leisten, seine Ernte zum Markt zu transportieren, weil die Obstgärten Taiwans schon immer klein und verstreut waren und ihre Ernte nicht sehr groß ist. Die Bauern müssen ihre Ernte an Großhändler und die sogenannten Hang kou(行口)verkaufen, das sind die Einkäufer, die den Großhandel versorgen. Die Erzeuger befinden sich in einer schlechten Verhandlungsposition, weil sie, im Gegensatz zu den Einkäufern, über den Marktwert ihrer Früchte schlecht informiert sind.
"Das Gesetz für den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen verlangt von den Einkäufern lediglich, daß sie sich bei den lokalen Behörden registrieren. Darüber hinaus gibt es bis jetzt keinen Versuch der Verwaltung, sie zu überwachen," sagt Chen Shu-chen(陳淑貞), Marketing-Experte der Abteilung für Marketing von Agrarprodukten des COA. "Die Einkäufer konkurrieren nicht miteinander und sind wegen ihres gemeinsamen Einkaufsmonopols in der Lage, den Markt zu manipulieren." Ein florierender Markt bedeutet nicht unbedingt auch hohe Gewinne für die Bauern.
In Taiwan fließen 40% der Verbraucherausgaben in den landwirtschaftlichen Sektor, das sind 10% mehr als in den USA. Die Investitionen der Zwischenhändler vor Ort in die Weiterverarbeitung, das Sortieren, Verpacken, verbesserten Transport und ähnliche Ausgaben sind wesentlich geringer als in hochentwickelten Ländern. Die Ausbeutung der Bauern durch die Zwischenhändler, eine Situation, die von Zeit zu Zeit in praktisch allen Ländern der Erde kritisiert wird, besteht auch in der Republik China. "Die hohen Kosten der Vermarktung von Früchten werden hauptsächlich von dem kopflastigen und vielschichtigen Vermarktungsprozeß und einem Zwischenhandel hervorgerufen, dessen Umfang zu klein ist, als daß er effizient sein könnte. Zu den Zwischenhändlern gehören Einkäufer, Großhändler, Supermärkte, Einzelhändler und Straßenstände," sagt Charles Huang(黃有才), der Chef der Abteilung für die Vermarktung von Agrarprodukten. Jemand muß ja für die Transportkosten, Verpackungskosten, Nachlässe für beschädigte Produkte und so weiter aufkommen. "Sowohl die Bauern als auch die Verbraucher leiden darunter, obwohl viele dieser Mittelsmänner gerade genug Geld verdienen, daß sie ihre Familien ernähren können, und niemanden ausbeuten," sagt Huang.
Seit 1975 hat die COA die Kooperative "Transport und Vermarktung bei geteilten Kosten" (Shared Transport and Marketing, STM) ins Leben gerufen, das aus der Genossenschaft, der Kooperative für die Vermarktung von Obst der Provinz Taiwan und anderen Kooperativen besteht. "Die Bauern liefern einfach ihre Ernten bei Sammel- und Verteilerzentren des STM ab und überlassen den Rest den Angestellten des STM. Die Früchte werden zu den Großhandelsmärkten gebracht und auf Auktionen an den Meistbietenden verkauft," sagt Huang. Mit Ausnahme einer Gebühr für die Dienste des STM fließt der gesamte Gewinn den Bauern zu.
"Die Auktion ist seit Anfang diesen Jahres mit Computern ausgestattet, und die Marktpreise werden jeden Tag um zwölf Uhr mittags per Fax an die Genossenschaft weitergegeben," sagt Huang. Früher hat es zwischen einer Woche und zehn Tagen gedauert, bis die Gesamtsumme der Einnahmen aus Obstverkäufen errechnet worden war, heute braucht man dazu nur noch drei Tage. Eine andere Absatzmöglichkeit ist die des Direkten Transports und Marketings (Direct Transport and Marketing, DTM). Bei dieser Methode verkauft die Genossenschaft einen kleinen Teil ihrer Früchte direkt an Supermärkte und spart so Kosten ein. Zusätzlich zum Handel mit privaten Supermärkten betreibt die Kooperative für die Vermarktung von landwirtschaftlichen Produkten, Taipei, ein Mitglied des STM, sechs Supermärkte im Bezirk Taipei. "Aber Supermärkte machen im Moment weniger als fünf Prozent des Gesamtmarktes aus, und es ist unwahrscheinlich, daß sie in der nahen Zukunft expandieren. Deshalb hat die DTM einen sehr kleinen Marktanteil," sagt Huang.
"Weil das Personal in den einzelnen Genossenschaften nicht für diese Aufgabe ausgebildet ist, hat die COA die Mitglieder der Genossenschaften in Produktions- und Vermarktungseinheiten eingeteilt," sagt Chen Shu-chen. Jede Einheit besteht aus bis zu zwanzig Bauern, die die gleiche Frucht anbauen. Der Chef einer Einheit ist Kontaktmann zwischen den Bauern und der Genossenschaft in Transport- und Marketingangelegenheiten. "Früchte, die von den Mitgliedern einer Einheit erzeugt werden, werden auf die gleiche Weise gekennzeichnet, so daß sie gegenseitig die Qualität ihrer Erzeugnisse kontrollieren können," sagt Chen.
Ob Nachspeise oder sommerliche Erfrischung: Wassermelonen gehören nach wie vor zu Taiwans beliebtesten Früchten.
STM verlangt sorgfältig abgepackte Produkte von guter Qualität. Die Verpackung der Früchte wurde als unehrlich und wenig geeignet für den Transport kritisiert. Die Farmer plazierten die guten Erzeugnisse ganz oben im Container und versteckten darunter die schlechten Früchte, um die Käufer hinters Licht zu führen. Sie packten die Früchte in unhandliche Holzkisten und Bambuskörbe, die gefüllt 50 bis 60 Kilogramm wogen. Die Abmessungen dieser Behälter waren der Grund für die große Zahl von beschädigten Früchten.
"1975 begann die COA den Gebrauch von standardisierten Kartons zu fördern und verbesserte die Verpackung, indem sie den einzelnen Bauern und die Kooperativen subventionierte," sagt Chen. So bot die Regierung zum Beispiel einmal an, die Hälfte der Kosten der Kartons zu bezahlen, um den Erzeugern von kernlosen Wassermelonen einen Anreiz zu bieten, die Standardverpakkungen auszuprobieren. "Der Versuch war sein Geld wert, denn die Bauern entdeckten bald, daß die Standardverpackung ökonomisch und praktisch war, und nach einem Jahr waren sie alle bereit, sie zu übernehmen." Sortierte Verpackung ermöglicht es, die Früchte auf Auktionen zu versteigern. Die Käufer müssen nun nicht mehr in die Verpackung hineinschauen, bevor sie ihre Gebote machen. Dank solcher Verpackungs- und Sortiermethoden haben sich Birnen der Marke "Sanwan" durch ihre hohe und gleichbleibende Qualität einen Namen gemacht, der so gut eingeführt ist, daß er sogar von anderen kopiert wird.
In den ersten Jahren beteiligten sich 23 Genossenschaften an dem Netz der STM und versorgten das Einzugsgebiet Taipeis mit 8000 Tonnen Früchten. Zu ihren Erzeugnissen gehörten Mandarinen, Trauben, westliche Melonen kernlose Wassermelonen, Lychees, Birnen, Erdbeeren und andere. 1989 war diese Zahl auf 65 000 Tonnen angestiegen, und die Mitgliederzahl des STM betrug nun etwa 200. STM und sein Versteigerungssystem sind nur im Einzugsgebiet Taipeis übernommen worden. STM liefert, hauptsächlich durch die Marketinggesellschaft für Landwirtschaftliche Produkte, 30% der Früchte auf dem Taipeier Markt und versorgt auch andere Gebiete, wie zum Beispiel Kaohsiung, mit Früchten, wobei diese Verkäufe aber sehr begrenzt sind. Der Marktanteil von STM macht in Taipei und anderswo insgesamt über zehn Prozent des gesamten Früchteangebots in Taiwan aus (diese Daten wurden für das Jahr 1989 ermittelt).
Seit 1986, als das Gewerbesteuersystem der Republik China modifiziert wurde, müssen sowohl die Verkäufer als auch die Käufer auf dem Großhandelsmarkt Gewerbesteuer bezahlen. "Weil die Geschäfte jetzt mit Hilfe von Computern durchgeführt werden, gibt es für die Anbieter und Käufer auf den STM-Märkten keinen Weg, um die Gewerbesteuer herumzukommen. Viele von ihnen begannen, ihre Geschäfte außerhalb des Marktes abzuwickeln, damit über die Umsätze nicht Buch geführt werden kann und sie so dem Finanzamt entgehen können," sagt Chen. In Märkten außerhalb von Taipei führen die Großhändler über die Geschäfte nicht Buch, wie es vorgeschrieben ist, weil die Einkäufer und andere Händler ihre Geschäfte auf eigene Art betreiben. Über 50% der Geschäfte wird über Einkäufer und nicht über die öffentlichen Großhandelsmärkte abgewickelt.
Das Bewußtsein und das Differenzierungsvermögen der Bauern hinsichtlich der Verbesserung des Marktsystems ist noch immer sehr gering. "Einkäufer bieten den Farmern manchmal höhere Preise an, um STM damit zu schaden. Unglücklicherweise sind selbst kleine Gewinne für die Bauern verlockend, und sie trachten nach sofort greifbaren Vorteilen, ohne zu bedenken, daß die verführerischen Abmachungen ohne Vorwarnung ihre Gültigkeit verlieren könnten, wenn die Preise fallen. Die Bauern machen mit den Einkäufern Geschäfte, wenn der Markt floriert, und mit STM, wenn die Marktsituation schlecht ist," sagt Chen. "Diese und ähnliche Praktiken haben die Entwicklung von STM behindert."
Das STM in Taiwan wird oft mit dem in Japan verglichen, das 80% des Marktes versorgt. "Die Japaner brauchten einige Jahrzehnte, um dieses System aufzubauen. In jeder japanischen Stadt mit einer Einwohnerzahl über 300 000 gibt es Großhandelsmärkte. Sie orientieren sich am Markt in Tokyo und haben einen starken Einfluß auf die Preise von Früchten in ganz Japan," sagt ein Marketingspezialist der Kooperative für die Vermarktung von Früchten in Taiwan (Taiwan Fruit Marketing Cooperative, TFMC), eine führende Bauernorganisation.
Huang betont, daß das wichtigste Ziel und die größte Herausforderung der COA die Verbesserung der Großhandelsmärkte und des STM-Systems ist. Aber es gibt in Huangs Abteilung nur zwei Sachbearbeiter, die ganztags mit der Vermarktung von Früchten befaßt sind. "Die Regierung untersucht gerade, ob sie ein Büro für das Marketing von landwirtschaftlichen Produkten einrichten soll, wenn ein Landwirtschaftsministerium in naher Zukunft eingerichtet sein wird. Ein solches Büro könnte mit dem Transport, dem Marketing, der Verarbeitung, dem Handel, und dem Ausbau des Marktes von Früchten betraut werden," sagt Huang.
Verarbeitete Früchte wie Saft und Früchtekonserven stellen eine andere Absatzmöglichkeit für die reichen Ernten der Insel dar. Ananaskonserven beispielsweise sind eines der wichtigsten Exportprodukte Taiwans. Aber viele der bekannten Fruchtsaftmarken auf dem Markt werden kritisiert, weil sie verfälscht sind. Erstaunlicherweise bevorzugen die Bewohner Taiwans tatsächlich diese verfälschte Mischung, die Amerikaner, die den starken Zitrusgeschmack amerikanischer Säfte gewohnt sind, als flach und wäßrig empfinden würden. Einige Genossenschaften haben versucht, reine Säfte auf den Markt zu bringen, aber ihre Bemühungen hatten nur begrenzten Erfolg. Ihre Erzeugnisse sind weniger wettbewerbsfähig als die schlechten, aber bekannten Säfte, weil es nicht genügend Absatzmöglichkeiten gibt, um das Produkt einer breiten Käuferschicht zugänglich zu machen und sie langsam damit vertraut zu machen, was Säfte eigentlich sind.
Ergebnis erfolgreicher Veredelungstechniken: Mangos sind nun sechs Monate im Jahr hindurch auf den Märkten erhältlich.
"Anders als Verbraucher im Westen betrachten die Menschen in Taiwan Säfte nicht als Bestandteil ihrer täglichen Ernährung, und eine differenzierte Nachfrage nach Qualitätsfruchtsäften gibt es ganz einfach nicht," sagt Charles Huang von der COA. Um diese Situation zu verbessern, "begann die COA in diesem Jahr damit, den Bauern dabei zu helfen, 100prozentige Säfte aus Mango, Tomaten, Sternfrüchten und Zitrusfrüchten unter dem Markennamen Die Landstraße herzustellen," sagt Huang, "und wir hoffen, im ersten Jahr 200 000 Kartons mit Saftkonserven abzusetzen." Weder die COA noch der Bauernverband kann es sich leisten, für Werbung große Summen auszugeben.
In absehbarer Zeit wird es keine Pläne geben, für den heimischen Markt eine Industrie für tiefgefrorene Fruchtsäfte zu entwickeln. Es gibt Kapazitäten zur Herstellung von tiefgefrorenem Konzentrat, aber mit Ausnahme einiger heimischer Safthersteller, die dieses Konzentrat zur Herstellung der obengenannten verfälschten Fruchtsäfte verwenden, versorgen sie den Exportmarkt. Bevor man dieses Marktpotential erschließen kann, muß man ganz offensichtlich auf das Erwachen einer großen öffentlichen Nachfrage warten oder zumindest auf jemanden, der die Vision und das Kapital besitzt, um diesen Markt zu entwickeln und dann so lange die Geduld zu bewahren, bis sich langfristig Gewinne einstellen. Ein Vertreter der Abteilung für Lebensmitteltechnologie und -verarbeitung bemerkt, daß ein früherer Versuch, gefrorene Konzentrate zu verarbeiten, fehlschlug, weil die Verbraucher die bequemen Fertiggetränke den Konzentraten vorzogen.
Die Regierung der Republik China und der Bauernverband haben andere Maßnahmen ergriffen, um den Absatz von Früchten zu fördern. Die COA hat zum Beispiel Wettbewerbe veranstaltet, um die Qualität von Früchten und ihre Vermarktbarkeit zu verbessern. Zu Festzeiten helfen die Bauernorganisationen den Bauern, zwei oder drei Stunden täglich Früchte in den großen Geschäftsgebäuden zu verkaufen. TFMC zum Beispiel hat zwei- oder dreimal in der Woche Früchte im Gebäude der Taiwan Power Company verkauft, was von den mit Arbeit eingedeckten Angestellten, die zwischen neun Uhr morgens und fünf Uhr nachmittags arbeiten, sehr begrüßt wurde.
Zusätzlich zum heimischen Markt waren Exporte eine wichtige Absatzmöglichkeit für die Fülle der auf der Insel erzeugten Früchte, insbesondere für Bananen, Zitrusfrüchte und Ananas. Exporte von Früchten gehen bis auf die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zurück. 1938 wurden über 70% der taiwanesischen Bananenernte exportiert. Die Exporte gingen hauptsächlich nach Japan. Aber die Anbaufläche ging Ende der 60er Jahre aus einer Vielzahl von Gründen zurück. Zu diesen gehören unter anderem die steigenden Produktionskosten, verschärfter Wettbewerb durch Produkte von den Philippinen und Lateinamerika und die Wertsteigerung des NT-Dollars.
TFMC hat mehr als 218 Sammel- und Verteilerzentren und leistet gute Arbeit bei STM-Operationen sowohl für den heimischen als auch für den ausländischen Markt. Seit 1974 ist sie der einzige autorisierte Exporteur von Bananen, Zitrusfrüchten und Mangos. Etwa 95% des taiwanesischen Bananenexports geht nach Japan, und kleine Mengen werden nach Korea und Hongkong verkauft. Der Umfang der Orangenexporte ist zurückgegangen, was auf die Konkurrenz aus den USA und Festlandchina zurückzuführen ist. Zitrusfrüchte wie Ponkans und Tankans erfreuen sich im Ausland gleichbleibender Beliebtheit. Andere Zitrusfrüchte und sonstige Fruchtarten werden hauptsächlich nach Hongkong, Singapur und Malaysia exportiert, aber "die Konkurrenz aus Festlandchina wird größer, und wir sind gerade dabei, Märkte auf den Philippinen und Indonesien zu erschließen," sagt Z. F. Wu(吳仁芳), der stellvertretende Generalmanager der TFMC.
Die Bauern konzentrieren sich zu sehr darauf, den heimischen Markt zu versorgen, wenn der Preis attraktiv ist, und sie schenken dem japanischen Markt zu wenig Beachtung, auf dem zwischen Februar und Juni riesige Mengen umgesetzt werden können, wie Wu sagt. "Wir haben Produktionspläne übernommen, um eine Überproduktion von Bananen zu verhindern," sagt er. "Wir fragen unsere japanischen Käufer, welche Menge sie in den nächsten drei bis fünf Jahren kaufen wollen. Die heimische Produktion wird dann in Ubereinstimmung mit den Abmachungen geplant." Wenn die Preise fallen, subventioniert die Regierung die Obstbauern über TFMC. TFMC übernimmt auch nicht absetzbare Früchte und verarbeitet sie zum Beispiel zu Tierfutter. Die Regierung bieter in diesem Jahr eine Subvention von 0,035 US$ pro Pfund an, wenn der Preis für Zitrusfrüchte unter 0,276 US$ pro Pfund fällt. "Manchmal können die Früchte wegen klimatischer Bedingungen, wie zum Beispiel Taifunen, nicht rechtzeitig für den japanischen Markt geerntet werden, deshalb exportieren wir unsere Bananen auch nach Korea," fügt Wu hinzu. Obstbauern haben in den letzten Jahren die Folgen der Überproduktion zu spüren bekommen, und die riesigen Mengen importierter Früchte, die den taiwanesischen Markt überschwemmen, haben die Situation noch verschlimmert. "Obstbäume sind winterharte Pflanzen. Die meisten der um 1984 gepflanzten Bäume sind nun ausgewachsen und tragen Früchte in kommerziellem Umfang und ebensolcher Qualität," sagt Wu Min-tze von COA. Der Abteilung für Land- und Forstwirtschaft der Provinz Taiwan zufolge gab es im Juni 1989 740 000 bäuerliche Haushalte. "Immer mehr von ihnen bauen keine Feldfrüchte wie Reis und Zuckerrohr an. Sie erzeugen stattdessen Plantagenerzeugnisse, insbesondere Obst, mit denen sich mehr Geld verdienen läßt und die ein größeres Exportpotential besitzen. Als Folge davon herrscht bei dreißig Arten kommerzieller Früchte ein Überangebot," sagt Wu.
Anfang diesen Jahres baten über 200 Erzeuger von Ananas, die Importe von Ananaskonserven einzuschränken, die ironischerweise eine Bedrohung für die einheimische Ananasindustrie darstellen, gilt Taiwan doch als das Königreich der Ananas. Das Volumen der Früchteimporte steigt rasch an, was auf den großen Handelsüberschuß der Republik China, die Aufwertung des NT$ und die Neugier der Leute auf Taiwan zurückzuführen ist. Während die Bauern ihre Mangos in Flüssen versenken müssen, überfluten importierte Früchte aus den USA (61%), Kanada, Thailand, den Philippinen, Korea, Südafrika, Neuseeland, Australien und Chile den Markt.
Die Ernte wird versteigert: Kooperativen sichern den Obstbauern einen gerechteren Anteil am Gewinn.
Der Abteilung für den Handel mit Agrarprodukten der COA zufolge belief sich der Umfang der Importe 1987 auf 148 000 Tonnen. Und dies gerade zu einer Rekorderntezeit, in der 50 000 Tonnen mehr Früchte als im Vorjahr geerntet wurden. 1987 wurden auf Taiwan 16 300 Tonnen Äpfel geerntet, während etwa 80 000 Tonnen Äpfel hauptsächlich aus den USA eingeführt werden. So überraschte es nicht, daß Obstbauern in einer Demonstration gegen Fruchtimporte protestierten. Um diese Situation zu verbessern, durften 1987 nur noch aus den USA Früchte importiert werden, und die besorgten Behörden haben ein Frühwarnsystem eingerichtet, um den Umfang der Fruchtimporte genau im Auge behalten zu können.
Als Folge der Regierungsmaßnahmen stiegen die Einzelhandelspreise von Früchten an, aber die Großhandelspreise in den Anbaugebieten blieben unangemessen niedrig. Man kann das Ausmaß des Problems aus der Tatsache ersehen, daß 22 Mitglieder des Legislativ-Yüans seit 1987 etwa 40 Interpellationen bezüglich der Importe von Früchten im Legislativ-Yüan eingebracht haben.
Viele Ernährungswissenschaftler stimmen darin überein, daß die auf Taiwan erzeugten Früchte weder vom ernährungswissenschaftlichen Standpunkt her noch sonst schlechter als die importierten Früchte sind. Einer Meinungsumfrage zufolge, die im Dezember 1987 durchgeführt wurde, kaufen 45% der Befragten gelegentlich importierte Früchte, weil sie anders oder besser schmecken, um den Göttern zu opfern, als Geschenk für die Familie oder für Freunde, oder weil sie hochwertiger sind. Der Wert der importierten rohen und verarbeiteten Früchte betrug 1989 221 Millionen US$; er weist eine jährliche Wachstumsrate von fast 25% auf. Äpfel, Trauben und Grapefruit aus den USA bildeten dabei den Hauptanteil. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch importierter Äpfel hat gegenwärtig 4,5 Kilogramm erreicht. Das gegenwärtige Exportvolumen von Früchten übersteigt die Importe, aber es wird erwartet, daß der Wettbewerb zwischen heimischen und importierten Früchten stärker wird.
Die Politik der Regierung ist es, alle Länder, die Früchte exportieren, gleich und ohne Diskrimination zu behandeln. Die Einfuhr vieler Güter, wie zum Beispiel Nüsse, Honigmelonen und Rosinen, ist bereits wieder aufgenommen worden. Für 14 andere Fruchtarten wie Bananen, Ananas, Mango, Trauben und Grapefruit ist der Import aufgehoben worden, weil er schwerwiegende Auswirkungen für den heimischen Markt hätte. "Im Oktober dieses Jahres können die Leute damit rechnen, daß die Importe von Äpfeln wieder das Niveau erreichen werden, das sie vor 1987 hatten," sagt Wang Ming-lai(王明來), der Chef der Abteilung für Export und Import der COA. Hunderttausende Tonnen von Früchten sind eingeführt worden, aber fast keine Früchte aus Taiwan sind in die USA ausgeführt worden. "Die USA haben strengere Einfuhrbestimmungen als die Republik China, obwohl taiwanesische Früchte bereits, technisch ausgedrückt, den Quarantänestandards der USA entsprechen. Während der letzten sino-amerikanischen Handelsgespräche hat die Republik China gefordert, daß diese Situation korrigiert wird, aber bisher hat das noch zu keinen Ergebnissen geführt," beklagt sich Wang.
Außer der Einführung einer Planproduktion, um mit den Problemen der Überproduktion fertig zu werden, muß die Regierung, laut Wu Min-tze, Verbesserungen der Qualität in der Landwirtschaft im allgemeinen und in der Obstindustrie im besonderen in die Wege leiten. COA hat sich darauf konzentriert, den reinen Obstbauern dabei zu helfen, hochwertige Früchte zu produzieren, wobei beim Sortieren und Verpacken der Früchte deren innerer Beschaffenheit die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird. "Ich glaube, höhere Preise für hochwertige Produkte sind für die Verbraucher akzeptabel und stellen einen Anreiz für die Bauern dar, ihre Früchte weiter zu verbessern," sagt er. Früchte von schlechter Qualität werden bald vom Markt verschwinden und die Überproduktion verringert.
Schärferer Wettbewerb aus dem Ausland, steigende Produktionskosten, eine Nachfrage nach hochwertigeren Früchten und ein vielfältigeres Angebot von Früchten auf dem Markt haben Zweifel daran hervorgerufen, ob es sinnvoll ist, die Obstindustrie in Taiwan zu entwickeln. Heimische Produktions- und Marketingexperten sind überzeugt davon, daß die Produktion erstklassiger und vielfältiger Früchtearten dank der radikal veränderten Präferenzen der Verbraucher und der wachsenden Kaufkraft immer noch rosige Aussichten hat. Trotzdem sind noch viele Anstrengungen zu unternehmen, um die Qualität, das Marketingsystem, die Bauernorganisationen und die Arbeit an der landwirtschaftlichen Ausbildung und Erweiterung zu verbessern.
(Deutsch von Andreas Härdter)